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Fisch und Fleisch auch ohne Tiere

 

Kultiviertes Fleisch ist das nächste große Ding in der Lebensmittelindustrie – und das Highlight der diesjährigen Anuga. Auf der New Food Conference von ProVeg gaben Pioniere Einblick in ihre Branche: Ob Fleisch, Fisch, Milch oder Eier – für die Lebensmittel der Zukunft muss kein Tier mehr dran glauben.

 

Weiter Steaks, Fisch und Käse genießen, ohne den Tieren, der Umwelt und der eigenen Gesundheit zu schaden – und es ist genug für alle da, auch wenn wir bald neun Milliarden Menschen sind! Das ist die Vision der rund 20 Industrievertreter, Investoren und Wissenschaftler, die am 10. und 11. Oktober auf der New Food Conference in Köln sprachen. Die Ernährungsorganisation ProVeg hatte die internationale Konferenz erstmals als Hybridveranstaltung organisiert, im Rahmen der weltgrößten Ernährungsmesse Anuga.

 

Die Vision „Tierprodukte ohne Tiere“ möglich machen soll die zelluläre Landwirtschaft: Sie kreiert aus Tierzellen oder Mikroorganismen wie Hefe, Bakterien und Pilzen völlig identische Produkte wie die konventionelle Tierwirtschaft. Allerdings nicht im Tierkörper, sondern im Fermenter – dank bahnbrechender Biotechnologie. Die Zukunft schmecken konnte man auf der New Food Conference bereits: David Brandes von Peace of Meat, das kürzlich von MeaTech übernommen wurde, servierte Fleischbällchen aus Soja und kultiviertem Hühnerfett. Dafür entnimmt das belgische Start-up Hühnereiern bestimmte Zellen und bereitet sie mit Hilfe von Bioreaktoren so auf, dass eine Fettmasse entsteht. Sie sorgt für den Hühnchengeschmack – und für gewaltiges Interesse: Bei der Präsentation auf der New Food Conference drängten sich vor der Bühne Fotografen und Kamerateams.

 

Gesetzesmühlen und Hollywood-Stars

 

Noch ist kultiviertes Fleisch eine Sensation, auf dem Markt gibt es bisher nur die Chicken Nuggets von Eat Just und nur in Singapur. Damit sich das bald ändert, sind noch einige Hürden zu überwinden. „Die gesetzliche Zulassung ist ein sehr langer und teurer Prozess“, sagte Robert E. Jones von Mosa Meat in seinem Vortrag. Das Unternehmen aus den Niederlanden hat 2013 den ersten zellbasierten Hamburger präsentiert und seitdem Millionen eingesammelt, im September stieg Leonardo di Caprio als Top-Investor ein.

 

Auch die Großproduktion ist im Vergleich zu herkömmlichem Fleisch zu teuer, vieles muss noch erforscht werden. Zum Beispiel, wie sich nicht nur Nuggets, sondern auch ganzes Fleisch am Stück herstellen lässt. Oder Fischfilet – das Thema von Dr. Sebastian Rakers. Seine Firma Bluu Bioscience ist die erste in Europa, die sich auf die Entwicklung von kultiviertem Fisch spezialisiert hat. Die ersten Produkte sollen 2023 auf den Markt kommen.

 

Junge sind offen für kultiviertes Fleisch

 

Dass die Zulassungen kommen und die technischen Herausforderungen gemeistert werden, da sind sich die Experten sicher. Doch werden die Verbraucher die neuen Produkte auch kaufen? „Die Jüngeren, gut Informierten sind sehr offen dafür“, so Mathilde Alexandre, die bei ProVeg International das Projekt CellAg koordiniert. Besonders groß sei die Akzeptanz schon in Israel, größter Hotspot für kultiviertes Fleisch neben Singapur. Allein rund um Tel Aviv sitzen sechs Firmen, die daran forschen, darunter MeaTech. Deren Business Development Manager Simon Fried erklärte: „Wir entwickeln gerade Bio-Tinte und Drucker, mit denen wir bis Ende des Jahres ein klassisches Steak herstellen können.“ Auch bei MeaTech stehen die Investoren Schlange, jüngster Neuzugang ist Ashton Kutcher.

 

Bei Investoren ebenfalls beliebt, um Tierprodukte ohne Tiere herzustellen, ist die Präzisionsfermentation. Dabei werden Bakterien oder Hefen so „programmiert“, dass sie beispielsweise Milchproteine herstellen. In den USA gibt es bereits Speiseeis aus tierfreien Milchproteinen, in Deutschland arbeiten Unternehmen an Käse. Hier ist noch viel Luft nach oben, wie die New Food Conference zeigte. „Käse soll gesund sein, nachhaltig, lecker und kostengünstig – das kann noch kein Käse, ob pflanzlich oder mit Milch“, sagte Blue HorizonInvestor Nate Crosser in einer Panel-Diskussion. Kommt bald der Mozzarella aus Milch, aber ohne Kuh? Crosser: „Es ist eine große Herausforderung, aber wir Menschen können coole Sachen machen, wenn wir es versuchen.“

 

Foto: Mathilde Alexandre, ProVeg International (c) Koeln Messe GmbH

 

(Pressemeldung für ProVeg)

katrin