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Erst kuscheln, dann essen

Lämmer auf Rädern, ein Euter als Heißluftballon und Hasen, von denen sich wer ne Scheibe abgeschnitten hat: In ihrem Bilderbuch für Erwachsene zeigt die Berliner Malerin und Illustratorin Carolin Günther, wie schizophren unser Umgang mit Tieren oft ist.

  

Süße Kinder, liebliche Blumen – und zerstückelte Tiere: Was ist die Botschaft hinter Deinen Bildern?

Meine Illustrationen wirken auf den zweiten Blick. Auf den ersten Blick sind sie niedlich, aber dann muss man näher hingucken – und sich mit den gezeigten Widersprüchen auseinandersetzen. Einmal wurde ich gefragt: „Du kannst so schön zeichnen, warum muss da das Fleisch in dem Baum hängen?“ Und ich antworte dann: „Weil es sonst keinen Sinn hätte!“ Bilder ohne Botschaft sind für mich nur Dekoration.

 

Wie bist Du auf die Idee zu dem Buch gekommen?

Die Bilder sind in meinem mehrjährigen Kunstprojekt About Meat entstanden. Einige der Illustrationen waren für die „World Illustration Awards“ nominiert und wurden unter anderem in London und Seoul ausgestellt. Ein Jahr später kam ich dann auf die Idee, zu den Bildern Texte zu verfassen – wie Kinderreime, aber mit harten Worten – und das Ganze als Buch zu veröffentlichen.

  

Du selbst hast schon als Kind kein Fleisch mehr gegessen. Wie kam das?

Meine Eltern hatten mich mal in den Ferien auf dem Bauernhof meiner Großeltern abgegeben. Ich hatte schreckliches Heimweh. Jemand brachte mir Kaninchen zum Kuscheln ans Bett, das half. Doch Wochen später, bei unserem nächsten Besuch, gab es die Kaninchen zu essen. Seitdem habe ich kein Fleisch mehr angerührt.

 

Und wann kam der Schritt zu vegan?

Ich bin auf einem Dorf groß geworden, in dem Glauben, dass die Kuh gemolken werden muss, weil sie eine Kuh ist und weil sonst das Euter platzt. Dass Kühe, wie jedes Säugetier, nur dann Milch geben, wenn sie Kinder bekommen, habe ich erst viel später begriffen. Vor ungefähr sieben Jahren ist mein Mann vegan geworden. Da habe ich mich informiert und bin mitgezogen.

 

Du führst Deine Kunst ja auch spazieren, zum Beispiel in Form einer bedruckten Handtasche. Wie reagieren die Leute?

Manchmal werde ich angesprochen, woher ich die Sachen habe. Manche reagieren aber auch leicht verstört. Besonders in langen Warteschlangen beim Einkaufen, wenn man mehr Zeit hat, etwas zu betrachten. Eine Mutter hielt ihrem Kind mal fast die Augen zu, weil sie das Bild auf meiner Tasche so grausam fand. Und gleichzeitig kaufte sie unverdrossen Tierprodukte ein. Das ist so typisch: Wir halten vieles von den Kindern fern, dabei ist es doch Teil unserer Realität.

 

Welche Rolle kann die Kunst da spielen?

Kunst sollte mehr sein als nur Deko. Die meisten Leute suchen sich ja ein Bild aus, das zu ihrem Sofa und zur Wandfarbe passt. Aber damit verschenken wir die Riesenmöglichkeit, eine Botschaft zu transportieren. Im Englischen spricht man auch von „Artivist“ – eine Mischung aus „Artist“ und „Activist“. Das ist eine große Bewegung, auch in der veganen Szene.

 

 

„So haben wir das schon immer gemacht. Ein Bilderbuch übers Tiereessen“ von Carolin Günther; gebundene Ausgabe (Pappbuch), 18 Seiten. € 22,00

Mehr Infos: www.about-meat.com

 

Das Interview erschien zunächst im VEGANMAGAZIN.

katrin