Rechtzeitig zum 30. Jahrestag der Wiedervereinigung erscheint das Buch „Dunkeldeutschland“ von Udo Taubitz. Was gibt’s zu feiern?
„Biografie ist mehr als nur eine rein persönliche Angelegenheit“, sagte Beuys. Das zeigt auch der autobiografische Roman von Udo Taubitz: Wir müssen an Tabus rühren und den Nebel lichten, damit wir die Vergangenheit bearbeiten können. Sonst geben wir unser Leid, unsere Scham und unsere Schuld unbewusst an die nächsten Generationen weiter – und die Geschichte wiederholt sich.
In „Dunkeldeutschland“ geht der Autor auf Spurensuche in seiner Kindheit und Jugend in der DDR – mit ihren Lügen, Verboten und Unterdrückungsmechanismen. Mit einer Mutter, die sich aufreibt zwischen Arbeit, Waschbrett und saufenden Liebhabern. Mit einem Vater, der vom eigenen Sohn nichts wissen will. Und mit Kindern, die kurz da waren und dann wieder weg – weggegeben, weggenommen, wer weiß das schon genau? Im Mikrokosmos der Familie spiegelt sich das kollektive Schweigedrama aus Verdrängen, Vergessen und Verleugnen.
Was macht das Aufwachsen in einer Diktatur mit Menschen?
Inwieweit prägt Geschichte persönliche Geschichten? „Dunkeldeutschland ist auch eine Allegorie auf das ungeklärte Verhältnis von West und Ost“, sagt Udo Taubitz, der als Journalist für Stern, Financial Times Deutschland und Spiegel Online schrieb, und von dem bereits vier Kinderbücher erschienen sind. Sein Debüt-Roman beschwört den Geist eines toten Landes – und hinterfragt zugleich den Zustand der vereinten Bundesrepublik: Warum fremdeln die „Brüder und Schwestern“ in Ost und West bis heute?
Hanna Arendt schrieb 1963 in ihren Denktagebüchern: „Politisch gesprochen fragen wir nicht: Was wird aus dem Einzelnen, der die Wahrheit sagt, sondern was wird aus der Welt, in der Wahrheit nicht gesagt oder verschleiert wird. Sie wird eine Welt der Tabus.“ Wer heute mit wachsamen Augen den Frust der Ostdeutschen sieht, die alten Stasi-Netzwerke in neuen Schläuchen und die Aufmärsche der Neonazis, der weiß: Es ist Zeit, den Nebel zu lichten.
Udo Taubitz: „Dunkeldeutschland“, BoD, 256 Seiten, Hardcover, € 20,00 / eBook € 9,99