Eine gute Website ist mehr als die digitale Visitenkarte Ihres Unternehmens. Sie kann den Umsatz ankurbeln, Kunden binden und Mitarbeiter rekrutieren. Aber Online-Texte sind eine Kunst für sich. Denn am Bildschirm lesen Menschen ganz anders als auf Papier.
Ein Gastbeitrag von Udo Taubitz, freier Autor und Schreibtrainer
Der Webtext ist so etwas wie der Hodensack unter den Kommunikationsorganen: randvoll mit Potenzial, aber meist im Schatten von vermeintlich Bedeutsameren. Der Online-Text wird in ’ner halben Stunde vom Azubi hingerotzt; am selben Thema – allerdings für die Image-Broschüre – feilt die Edelfeder der PR-Agentur drei Tage.
Verständlich, weil es stimmt, dass Online-Texte viel weniger aufmerksam gelesen werden als Print-Texte. Aber auch absolut unverständlich, weil das Internet für die meisten Menschen zur wichtigsten Informationsquelle gewachsen ist. Vor allem für die Jungen und Gebildeten – die Traumzielgruppen der meisten Unternehmen.
Doch das World Wide Web ist ein unendlicher Informationsstrudel. Wer dem Online-Volk etwas sagen will, aber nicht auf Anhieb mit packenden Worten überzeugt, geht schnell unter. Wie also mache ich den User aufmerksam? Wie fessele ich ihn? Wie informiere ich gezielt und nutzbringend?
Zunächst einmal: die Texte sollten den Bedürfnissen der User folgen. Der User! Der User! Der User! Auch wenn’s schwer fällt: Ihr eigenes Sendungsbewusstsein und Ihr einzigartiger Schreibstil sollten beim Texten fürs Web besser zurücktreten. (Es sei denn, Sie schreiben einen Blog.)
Buchstabensuppe mit Klick-Häubchen
Letztlich dreht sich beim Texten fürs Web alles um König Content. Die Inhalte müssen dem User Nutzwert bieten und passend aufbereitet sein. Aber was heißt das, „passend aufbereitet“? Zunächst einmal muss man wissen, dass Menschen am Bildschirm anders lesen als auf Papier – und im Durchschnittein Drittel langsamer. Weil es anstrengt, in eine Lichtquelle zu starren. Weil die meisten Monitore eine geringere Auflösung haben als Gedrucktes. Weil wir unkonzentriert sind: blinkende Werbe-Buttons, selbststartende Videos und Animationen lenken von der Textlektüre ab.
Scannen statt Lesen
Die meisten User lesen am Bildschirm nicht wirklich, sondern sie scannen: Wir rauschen von oben nach unten über die Inhalte. Wir überfliegen den Text schnellschnell und suchen nach Wörtern, die uns die Informationen vermitteln, die wir suchen. Werden wir nicht sofort fündig, springen wir zum nächsten Abschnitt oder gleich auf eine andere Seite. Bis unsere Augen etwas bemerken, bei dem längeres Verweilen vielleicht lohnt. Aber selbst dann gilt: Kapitel werden angelesen, ganze Absätze überlesen, Textzusammenhänge nicht weiterverfolgt.
Aber wie müssen Texte geschrieben sein, damit sie Web-User fesseln, damit sie aufmerksamer gelesen werden und den User zu einer Handlung animieren: zum Klicken, Kaufen, Kommentieren, Teilen? Wirksame Online-Texte entstehen mit journalistischem Handwerkszeug, streng angewandt. „Journalistisches Know-how wird für Unternehmen zur Schlüsselkompetenz im hochgradig differenzierten Wettbewerb“, schreibtProfessor Stefan Heijnk in der Bibel deutschsprachiger Online-Texter.
Kurz und klar
Präzise und verständlich schreiben ist für Online-Texte das A und O. So geht’s:
- Kurze Sätze: maximal 15 Wörter pro Satz. Besser nur drei bis sieben.
- Viele Verben („Tu-Wörter“): am besten solche, bei denen die Aktion im Wort drinsteckt. Besser „klatschen“, „stürzen“, „sagen“ als „eignen“, „sich befinden“, „meinen“. Pressetexters Lieblinge wie „stattfinden“ und „beinhalten“ würgen jedes Leben ab. Statt „Die Aktion findet von Montag bis Freitag statt“ schreiben Sie lieber „Die Aktion startet Montag und endet Freitag“.
- Substantive sind dafür da, Dinge oder Menschen zu nennen (Tisch, Trafohäuschen, Bürgermeister). Problematisch wird’s, wenn Handlungen mit einem Substantiv ausgedrückt werden statt mit einem Verb: Plötzlich fragen Menschen nicht mehr, sondern führen eine Befragung durch. Durchforsten Sie Ihre Texte nach substantivierten Verben – und verwandeln Sie diese blutleeren Zombies zurück! Man erkennt sie meist an den Endsilben -ung, -heit, -keit.
- Werfen Sie unnützen Ballast über Bord: Füllwörter (wohl, quasi, eigentlich, letztendlich, gewissermaßen, grundsätzlich …) sowie Worthülsen (innovativ, optimieren, maßgeschneidert …). Konkrete Fakten bieten mehr Informationswert.
- Fach- und Fremdwörter verwenden Sie nur, wenn zwingend erforderlich. Und dann erklären Sie sie am besten allgemeinverständlich: Router = Netzwerkgerät; Police = Versicherungsvertrag. Das geht am Bildschirm prima mit einem Mouseover. (Ihr Programmierer weiß wie.)
- Auch Anglizismen (und überhaupt Fremdsprachliches) setzen Sie besser nur ein, wenn unbedingt nötig. Come in and find out– dieser Slogan der Parfümeriekette Douglas ließ viele Kunden den Ausgang suchen.
- Abkürzungen und Akronyme meiden. Sie erschweren das Verstehen – besonders wenn sie von fremdsprachlichen Ausdrücken kommen. Schreiben Sie statt „FAQ“ lieber „Häufige Fragen“. Firmeninterne Abkürzungen für Abteilungen, Gebäude und Produkte stoßen Außenstehenden vor den Kopf.
- Formulieren Sie positiv! Das Wörtchen „nicht“ ist oft ein Wort zu viel. Denn das Gehirn stolpert über Negationen. Statt „Strommasten sind für Vögel unsicher, wenn sie nicht entschärft sind“ schreiben Sie besser „Strommasten sind für Vögel sicher, wenn sie entschärft sind.“
PR küsst Journalismus küsst Marketing
Corporate Websites zielen vor allem darauf ab, Unternehmen oder Marken bekannter zu machen, das Image aufzupolieren – und wenn wir ehrlich sind: Produkte und Dienstleistungen zu verkaufen. Dabei besteht die Gefahr, dass man das Wichtigste aus den Augen verliert: Die Website ist für den User da! Internetnutzer gehen meist auf Seiten von Unternehmen, weil sie sich informieren möchten: über bestimmte Produkte oder Services, und vielleicht auch über deren Preise.
Holen Sie den (potenziellen) Kunden bei seinen Wünschen ab: Sagen Sie ihm schon auf der Startseite, was Sie für ihn tun können. Sparen Sie sich Begrüßungs-Blabla: „Herzlich willkommen auf der Homepage der Supertoll GmbH! Gern nehmen wir Sie mit auf einen Rundgang durch unsere innovativen Produktwelten …“ Null Nutzwert – und schwups, ist der User wieder weg.
Potenzmittel oder Maschendrahtzaun?
Schreiben Sie auf Ihrer Website am besten in der Sprache Ihrer Zielgruppe, denn so ist eine Unterhaltung – ein Dialog – möglich. Wenn Sie Mittelstufenschüler ansprechen wollen, dürfen Ihre Texte umgangssprachlicher klingen als wenn Sie für Studienräte schreiben. Potenzmittel verkaufe ich anders als Maschendrahtzäune. Die Tonalität muss stimmen. Aber wenn Sie einfach gutes Web-Deutsch schreiben (wie oben beschrieben), passt es fast immer für fast alle. Journalistisches Know-how hilft. Aber beim Schreiben für Corporate Sites gibt es ein paar Besonderheiten:
- Direkte Anrede und Schreiben in der ersten Person ist üblich („Wir haben was für Sie!“). Vorteil: mehr Nähe. Nachteil: die journalistische Distanz schwindet und damit die Glaubwürdigkeit.
- Klare Schlüsselbegriffe (Keywords) auf die Startseite!(Und auf die Unterseiten natürlich auch.) Relevante Schlüsselwörter lenken die Besucher rasch in die richtigen Richtungen. Und katapultieren Ihre Webseite bei Google nach oben.
- Produktbeschreibungen sachlich formulieren, aber mit positiver Sprachfarbe. Aggressive Werbesprache und Marketingfloskeln meiden Sie besser. Nennen Sie konkrete Vorteile der Produkte!
- Leichtigkeits-Attribute verwenden – sie schaffen eine unaufdringliche Wohlfühl-Atmosphäre: einfach, selbstverständlich, ganz leicht, gerne, sicher … (Aber bitte sparsam dosieren!)
- Die Nutzen-Erwartungen der Besucher ansprechen– und ganz direkt Lösungen anbieten. Ein Beispiel von der Webseite der Allianz Versicherung
Mach jetzt! Call-to-Action
Wenn Sie den User zu einer Handlung animieren möchten – zum Weiterlesen, Kaufen, Teilen – reicht selten ein „Mehr“-Button. Mehr was denn? Greifen Sie besser zum Holzhammer! Sagen Sie klar, was Sie dem Leser ans Herz legen. Aktivierende Call-to-Action klingen so: „Mehr über Insektenschutz lesen“, „Kokosmilch jetzt online kaufen“, „Den Kundendienst kontaktieren“. Wenn möglich, steckt ein starkes Verb drin.
Halt geben mit Struktur
Dicht gedrängte Textblöcke sind ein Hauptgrund für das Verlassen einer Website.Klare Gliederung beim Textlayout – also „Grafisches Schreiben“ – erhöht die Usability.
Lockern Sie den Fließtext auf, etwa mit
- Aufzählungen / Spiegelstrichen (insbesondere für Produktvorteile o.ä.)
- Info-Boxen, in die Sie Zahlen oder Hintergrundinformationen auslagern
- Hervorheben wichtiger Schlüsselwörter, etwa durch Fettdruck. (Aber bitte maßvoll, denn jede Hervorhebung stört den Lesefluss.)
Hyperlinks, die weiterführen
Die eine Art bindet User, die andere fungiert als Abschussrampe: Interne Links auf weitere Inhalte meines Webauftritts erhöhen die Verweildauer, sie bieten den Usern tiefere Informationen aus (m)einer Hand. Wikipedia, zum Beispiel, verlinkt fast ausschließlich intern – und profiliert sich damit als „Alleswisser“. Links auf externe Seiten hingegen sind selbstloser Service: User klicken sie an und kehren womöglich nicht zurück, weil sie sich in der Fremde festlesen oder verlieren.
Für die Site Usability gilt generell: Vorsicht vor Überlinkung! Zwar sind Links an sich eine feine Sache. Denn sie machen es möglich, einem Text vertiefende Informationen on demand hinzu zu fügen. Aber: Im Fließtext eingebettete Rudel von Hyperlinks finden die meisten User eher störend als hilfreich, denn das Auge stolpert kurz über jeden Link. Also: lieber nur sparsam Links einbetten, etwa für den Verweis auf Originalquellen (beispielsweise Studien und Datenbanken) oder wichtige Zusatzinfos. Wenn viele Links nötig sind, setzen Sie sie besser geballt unter den Fließtext. Oder in eine separate Spalte neben den Fließtext.
Teaser zum Klicken
Online zerfallen Texte in ihre Einzelteile. Auf der Startseite stehen meist nur Teaser, also kurze Anreißer-Texte. Der User muss sie anklicken, wenn er mehr erfahren will. Teaser-Texte entscheiden oft über Erfolg oder Misserfolg eines Web-Auftritts. Sie brauchen eine starke Überschrift und einen Vorspann-Text, der unwiderstehlich Lust macht auf mehr.
Der Autor
Udo Taubitz schrieb für Stern, Spiegel Online, Financial Times Deutschland und viele mehr. Heute gibt er bundesweit Schreibseminare an Akademien und in Unternehmen. Wenn er nicht gerade Kinderbücher schreibt – oder für Kunden von KASPER Kommunikation Content liefert.