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Vegan – wie sag ich’s meinem Kunden?

Trotz des Vormarsches pflanzlicher Alternativen ist für die meisten Menschen hierzulande das Fleischessen die Norm.  Es ist ein Teil ihrer Identität und vermittelt vermeintliche Selbstbestimmtheit in einer immer komplexeren Welt. Am Braten aus der Kindheit hängen große Gefühle.

 

Kommunikation ist der wichtigste Hebel

Entsprechend emotional fielen die Reaktionen aus, als die Grünen vor zehn Jahren den Veggie-Day ausriefen. Als Volkswagen vor zwei Jahren die Currywurst in der Kantine strich. Und als kürzlich die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) ankündigte, die empfohlene Höchstmenge für den Fleischverzehr abzusenken. Von Bevormundung war die Rede, und vom Verlust persönlicher Freiheit.

 

Rationale Argumente wie Umwelt- und Klimaschutz, Tierwohl und Gesundheit fallen in solchen hitzigen Diskussionen meist unter den Tisch. Viele NGOs und Hersteller von veganen Ersatzprodukten treten zwar öffentlich für eine pflanzlichere Ernährung ein. Aber ihnen wird schnell mangelnde Glaubwürdigkeit unterstellt. Dabei ist Kommunikation der wichtigste Hebel, um die Wahrnehmung der Menschen und damit ihr Verhalten zu ändern.

 

Mut zur klaren Haltung

Umso wichtiger ist es für vegane und vegetarische Marken, ihr Marketing, ihre Kommunikation und ihren Verkauf zu professionalisieren – von der Produktbezeichnung über die Medienarbeit bis zum Verpackungsdesign. Nur so können sie Menschen von den Vorteilen pflanzlicher Ernährung überzeugen – für sie selbst, für die Tiere und für den Planeten. Dazu gehört viel Recherche, ein tiefes Verständnis der Zielgruppen, der Märkte und ihres gesellschaftlichen Umfeldes.

 

Aus Angst, potenzielle Kundschaft zu verprellen, schrecken manche Hersteller beispielsweise vor dem Wort „vegan“ zurück. „Veggie“, „plant-based“ oder „pflanzenbasiert“ soll weniger fundamental  klingen und mehr Menschen ansprechen. Aber Firmen wie Rittersport, Mövenpick, Meggle, Niederegger und Langnese beweisen mittlerweile, dass man auch mit prominent als „vegan“ gekennzeichneten Produkten Erfolg haben kann.

 

Öko-Rebellen und Kirchen-Provokateure

Viel wichtiger als jedes Attribut ist die Positionierung einer Marke mit passenden, klaren Botschaften – auf allen Kanälen. Der schwedische Haferdrink-Hersteller Oatly etwa gibt in Social Media den Öko-Rebellen und weist auf seinen Verpackungen den CO2-Fußabdruck aus. Damit hat die einstige Reformhaus-Marke die Metamorphose zum trendigen Lifestyle-Produkt geschafft. Der Süßwarenhersteller Katjes wiederum thematisiert mutig den Tierschutz – zuletzt mit riesigem pinkfarbenem Banner auf der Kölner Domplatte: „Liebe Deinen Nächsten“.

 

Derart selbstbewusst auftreten kann freilich nur, wer die Fakten kennt und die oft komplexen Zusammenhänge auf griffige Bilder und Slogans herunterbricht. Individuelle Ökobilanzen, die den CO2-Abdruck, den Wasser- und Landverbrauch oder den Energieeinsatz eines Produkts erfassen, sind zwar extrem aufwändig. Doch als Nachweise für den Mehrwert pflanzlicher Alternativen sind sie unerlässlich, wenn diese mit Nachhaltigkeit punkten wollen.

 

Prominente liefern „Social Proof“

Informieren, erklären, aufklären heißt die Devise – aber ohne belehrend oder moralisierend rüber zu kommen. Denn das weckt eher Trotz. Storytelling hilft: Zahlen und Fakten, verpackt in authentische Geschichten, die emotional berühren, die erinnert und mit anderen geteilt werden. Frische Sprachbilder und positives Framing ersetzen die bisherigen Narrative. Die Marken werden als nahbar und einzigartig wahrgenommen, das stärkt die Kundenbindung.

 

Auch bekannte Testimonials und Influencer tragen dazu bei, mit gängigen Stereotypen aufzuräumen. Ob Billie Eilish für iChoc, Bonnie Strange für Katjes oder Ralf Möller für Lidl : Prominente Vorbilder liefern den Social Proof, dass pflanzliche Ernährung angesagt ist – und laden zum Nachahmen ein. Denn sie schaffen es, die ernsten Themen Umweltbewusstsein, Tierschutz und persönliche Verantwortung spaßig und unbeschwert zu präsentieren.

 

Vorsicht vor Übertreibungen

Neben Nachhaltigkeit und Tierwohl sind gesundheitliche Vorteile ein weiterer wichtiger Grund für die Wahl pflanzlicher Alternativen. Auch hier ist Aufklärung gefragt.

 

Generell gilt es, die pflanzlichen Alternativen nicht als Ersatz, sondern als Bereicherung zu positionieren. Doch Vorsicht vor Übertreibungen und „Sugarcoating“: Wird etwa ein identischer Geschmack versprochen, den das Produkt nicht hält, sind Enttäuschungen vorprogrammiert – und potentielle Kundinnen und Kunden auf lange Sicht verloren.

 

Genuss und Spaß statt Verzicht

Stattdessen sollten Marken zeigen, wie bequem und einfach es ist, pflanzliche Produkte in die Ernährung einzubauen. Ob Rezepte in den sozialen Medien und bei der Medienarbeit, Zubereitungshinweise auf den Verpackungen und Websites, leicht verständliche Informationen zu Zutaten und Herstellung im Blog oder Verkostungen im Supermarkt: Gefragt sind Unterhaltung plus Nutzwert an allen Touchpoints der Customer Journey. Denn trotz Vegan-Welle haben viele immer noch keine Ahnung, woraus Seitan, Tempeh & Co. bestehen, wie sie schmecken und wie sie zubereitet werden.

 

Wichtig dabei ist eine positive, motivierende Sprache, die den Fokus auf Genuss und Spaß legt statt auf Verzicht und Einschränkung. Auch Witz und Humor sind geeignete Stilmittel, denn sie wirken souverän – und sind auch ein Ausdruck von Haltung. Etwa, wenn es um die strengen Restriktionen geht, die für die Bezeichnung pflanzlicher Alternativen gelten. So wird das Chili von Vegetarian Butcher zum „Chill mal Carne“, die „Pizza Tex Vex Vegan“ von Followfood „brennt für unsere Zukunft“ und der vegane Käse von Veganz trägt den schönen Namen „Cashewbert“.

 

Mit Humor gegen Härtefälle

Humor nimmt auch kommunikativen Härtefällen die Spitze: Wer kann schon ernsthaft eine Marketingabteilung bekriegen, die sich „Department of Mind Control“ nennt? Und deren CEO im Werbespot beim amerikanischen Superbowl „Wow No Cow“ singt? Oatly wird zwar regelmäßig von Wettbewerbern verklagt, aber die Herzen der Menschen fliegen der Marke genau wegen solcher Provokationen zu.

 

Keinesfalls sollte die Kommunikation dagegen Scham auslösen. Denn Scham ist ein fast unerträgliches Gefühl. Es wird deshalb weggedrückt. Niemand möchte falsch sein. Wer einen Massenmarkt ansprechen will, darf kein schlechtes Gewissen machen. Sondern muss Menschen die Möglichkeit geben, informierte Konsumentscheidungen zu treffen. Auf Augenhöhe und im Dialog.

 

Der Artikel erschien zunächst im Sammelband „Grüne Ernährung“, herausgegeben vom Handelsverband Lebensmittel (BVLH).

 

Foto: BVLH

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