side-area-logo
Die Kunst der Positionierung

 

Pflanzliche Produktalternativen sind heute gefragt wie nie – doch um sich vom Wettbewerb abzuheben, braucht es mehr als nur gute Absichten. Wer sich erfolgreich positionieren will, muss seine Stärken clever in Szene setzen.

 

Marken wie Oatly, Rügenwalder oder Veganz sind längst mehr als nur Produkte – sie stehen für Nachhaltigkeit, Gesundheit und einen bewussteren Lebensstil. Durch gezielte Positionierung haben sie ein starkes Image in den Köpfen der Verbraucher geschaffen: Oatly verkörpert urbanen Lifestyle und Öko-Aktivismus, Rügenwalder steht für das Fleisch der Zukunft und Veganz beeindruckt mit einer innovativen Vielfalt veganer Produkte.

 

Diese Marken haben es verstanden, sich unverwechselbar zu machen, indem sie nicht nur funktionale Vorteile, sondern auch emotionale Werte vermitteln. Ihre Positionierung ist weit mehr als eine Marketingstrategie – sie ist Ausdruck einer klaren Markenidentität. Denn nur, wenn was eine erkennbare Identität hat, kann die Zielgruppe eindeutig identifizieren – und ihm Vertrauen schenken.

 

Mehrwert für die Zielgruppe

Wie aber entwickelt man eine unverwechselbare Positionierung? Sie ergibt sich aus den Stärken der Marke oder des Produkts im Vergleich zur Konkurrenz – im besten Fall entsteht daraus ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal, eine Unique Selling Proposition (USP). Entscheidend dabei: Die Stärken müssen einen klaren Nutzen für die Zielgruppe bieten, sei es funktional oder emotional. Ein Beispiel: Viva con Agua verkauft Mineralwasser in Flaschen – wie zig andere auch und in einem Land, in dem Trinkwasser jederzeit aus der Leitung fließt. Aber on top gibt’s Weltverbesserung: Die Erlöse verschaffen Menschen in armen Ländern Zugang zu sauberem Trinkwasser. Die Strategie geht auf, weil Viva con Agua erfolgreich seinen übergeordneten Purpose kommuniziert. Das Produkt ist hier nur noch Nebensache.

 

Hersteller pflanzlicher Produktalternativen können sich über Innovation, Qualität, Geschmack oder Nachhaltigkeit vom Wettbewerb abheben. Oder, indem sie eine klare Haltung zeigen – und diese konsequent kommunizieren. Oatly etwa positioniert sich nicht nur als Anbieter von Hafermilch, sondern als gesellschaftlicher Akteur, der Verantwortung übernimmt und die Themen Gesundheit, Ernährung und Umweltbewusstsein miteinander verknüpft.

 

Taten, nicht nur Worte 

Seit Jahren deklariert Oatly den CO2-Fußabdruck seiner Produkte auf der Verpackung – und fordert provokant, dass Unternehmen der Milchbranche es ihm gleichtun. Oatly engagiert sich außerdem für ein „Klima-Label“ auf Lebensmitteln, gemeinsam mit Veganz, das die Ökobilanz seiner Produkte anhand eines Nachhaltigkeits-Scores auf der Verpackung transparent macht.

Das Markenprofil von Veganz machen auch innovative Produkte wie „Honig“ aus Tapioka sichtbar, oder „Räucherlachs“ mit Algenextrakt und der ersten Hafermilch aus dem Drucker. Smarte Vertriebskooperationen steigern die Markenbekanntheit: Die „innovativste Food-Marke Deutschlands 2021“ (Handelsblatt) forscht mit der TU Berlin an Fleischalternativen, beliefert über den Caterer Aramak Betriebskantinen und bietet bei den Fußballvereinen Bayer 04 Leverkusen und RB Leipzig eine vegane Stadionwurst.

 

Raus aus der Nische

Unternehmen und Startups mit Purpose haben einen Startvorteil: Eine klare Positionierung. Sie hilft nicht nur bei der Marktdurchdringung, sondern auch bei der Mitarbeiterbindung und beim Recruiting. Allerdings kaufen nur wenige Verbraucher rein aus Überzeugung. Die Mehrheit greift aus Gewohnheit oder Bequemlichkeit zu einem Produkt, wegen seiner Bekanntheit oder einer Empfehlung der Peers. Davon profitieren etablierte Marken, die das innovative Produkt kopieren: Dank ihrer Bekanntheit und Marktpräsenz gewinnen sie dann sehr schnell Marktanteile.

 

Impact-getriebene Marken müssen deshalb über ihre Kernzielgruppe hinauswachsen und die breite Masse erreichen – auch jene, die mit ihrem Purpose nichts am Hut haben. Dafür ist es essenziell, Kaufbarrieren zu verstehen und abzubauen. Viele Verbraucher assoziieren Nachhaltigkeit noch immer mit Verzicht. Erfolgreiche Marken drehen diesen Spieß um: Oatly hat es geschafft, dass Menschen Hafermilch nicht als Ersatz, sondern als gleichwertige, wenn nicht sogar bessere Alternative zur Kuhmilch sehen. Wer heute in einer deutschen Großstadt seinen Café Latte mit Hafermilch bestellt, tut dies meist einfach nur, weil es ihm schmeckt. Die Nachhaltigkeit ist allenfalls ein angenehmer Nebeneffekt.

 

Relevant sein und sich differenzieren

Fest steht: Pflanzliche Produktalternativen bieten zwar per se die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun. Aber wenn sie teurer sind als ihre tierischen Pendants und keinen erkennbaren Mehrwert bieten in Sachen Geschmack, Gesundheit oder Status, bleiben sie eine Nische. Damit sie für die Masse attraktiv werden, braucht es starke Marken. Die haben wir im Plantbased-Bereich zumindest noch nicht in dem Maße, wie wir es beispielsweise von der Fleisch- oder Milchindustrie her kennen.

 

Der Wettbewerb wächst rasant: Immer mehr große Hersteller steigen mit enormen Marketingbudgets in den Markt ein. Um in diesem Umfeld zu bestehen, muss eine Marke relevant sein und sich differenzieren. Weil viele Produkte oft austauschbar sind oder in kürzester Zeit kopiert werden können, kommt es umso mehr auf eine überzeugende Kommunikation, starkes Design und gezieltes Marketing an. Der Schlüssel liegt darin, die eigene Marke mit einer klaren, attraktiven Story aufzuladen – basierend auf einer durchdachten Positionierung.

 

 

 

Der Beitrag erschien zunächst im NEWMEAT Magazin.

katrinkasper