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Wie PR vegane Food-Brands erfolgreich macht

Eine ganze Branche muss sich kommunikativ neu erfinden: Raus aus der Nische, rein in den Mainstream. Doch wie lassen sich Veggie-Alternativen einer möglichst breiten Zielgruppe schmackhaft machen?

 

Vorbei die Zeiten, als vegane Food-Brands müde belächelt wurden – und ihre Kunden als weltfremde Revoluzzer geschmäht. Wer heute etwas auf sich hält, trinkt seinen Latte mit Hafermilch, legt beim Grillen die Veggie-Wurst auf und bestellt im Restaurant veganen Wein. Jedenfalls, wenn man in Berlin, Hamburg oder München wohnt, über ein überdurchschnittliches Einkommen und höhere Bildung verfügt – rein statistisch gesehen. Fest steht: der Veganvirus hat seinen Siegeszug durch den Mainstream angetreten. Nicht immer, aber immer öfter, lautet für viele Konsumenten die Devise. Man muss ja nicht gleich auf alles verzichten, aber warum nicht ab und zu mal was Neues probieren? Das gute Gewissen gibt’s gratis oben drauf – und Anerkennung aus der Peer Group.

 

Schon über die Hälfte der Deutschen zählt sich laut Ernährungsreport des BmEL zur stetig wachsenden Gruppe der so genannten Flexitarier: Sie wollen den Konsum von Tierprodukten bewusst reduzieren, aber nicht komplett aufgeben. Befeuert wird der Trend von den vielen Alternativen zu Tierprodukten, die derzeit auf den Markt drängen: Thunfisch auf Sojabasis, Camembert aus Cashews, Bratwurst aus Erbsenprotein, Joghurt- und Milchersatz aus Hanf, Mandeln, Lupinen und Nüssen – die Innovationen kommen im Wochentakt. Dahinter steckt längst nicht mehr nur eine Handvoll idealistischer Pioniere: Immer mehr Startups mischen mit, oft gepimpt mit Millionen von Venture Capital. Denn vor dem Hintergrund der Klimakrise haben auch Investoren den Trend zu einer langfristigen Ernährungswende erkannt und schichten ihre Portfolios um in Richtung Plant-based.

 

Old Economy versus Newcomer

Auch die Old Economy ist aufgewacht und will ein Stück abhaben vom Kuchen: Tönnies und die PHW-Gruppe mit Marken wie Wiesenhof und Bruzzler expandieren im Veggiemarkt, Rügenwalder Mühle verkauft sogar schon mehr vegane und vegetarische Produkte als Fleisch und Wurst. Auch Deutschlands größte Molkerei, das Deutsche Milchkontor mit Marken wie Milram und Oldenburger, baut ihr veganes Sortiment immer weiter aus. Die Großkonzerne verfügen über etablierte Strukturen, starke Lobbys, bekannte Marken – und das nötige Kleingeld für professionelle Kommunikation. Ein riesiger Wettbewerbsvorteil, der die Newcomer chancenlos lässt? Nicht unbedingt.

 

Neben dem Preis ist das Marken- und das Unternehmensimage das wichtigste Differenzierungsmerkmal. Dabei spielt klassische PR eine große Rolle, denn sie ist essenziell für die Corporate Story. Zudem haben wir es mit äußerst erklärungsbedürftigen Produkten zu tun: Vielen Menschen leuchtet es nicht ein, warum sie statt des Billigschnitzels aus dem Supermarkt einen womöglich dreimal so teuren „Ersatz“ aus Soja kaufen sollten – der womöglich auch noch anders schmeckt als das Gewohnte. Hier ist Storytelling gefragt, und genau dabei sind vegane Marken deutlich im Vorteil.

 

Authentizität ist Gold

Ein Unternehmen, dessen Dasein darin begründet ist, die Umwelt, die Tiere und die menschliche Gesundheit zu schützen, hat per se einen höheren Zweck – einen Purpose. Und genau diese Authentizität ist Gold wert in der Kommunikation. Gelingt es, sie erfolgreich rüberzubringen, sind Kunden auch bereit, höhere Preise zu zahlen oder Einbußen beim Geschmack in Kauf zu nehmen. Nachwuchskräfte werden hier gerne anheuern, und Skandale perlen an diesen Unternehmen ab wie Wasser an einer Ente.

 

Allein, das zu erreichen ist leichter gesagt als getan. Denn die Aufgabe ist nicht unheikel: Der Mensch ist ein Gewohnheitstier, er lässt sich nur ungern von seiner Einkaufsroutine abbringen. Veränderungen kosten Zeit und Energie – und ewig lockt das Schnitzel mit Schnäppchenpreisen und allen Finessen der Werbekunst, eingespurt über Jahrzehnte der Old Economy. Moralpredigten bringen da schlimmstenfalls Trotzreaktionen. Damit Menschen ihren gewohnten Konsum ändern, braucht man starke Marken – und die baut man mit starken Inhalten auf.

 

Storytelling statt Werbe-Blabla

Gefragt ist eine ehrliche und inklusive Kommunikation: Storytelling statt Werbe-Blabla, humorvoll statt belehrend, unkonventionell statt austauschbar. Und das durchgängig auf allen Kanälen, von der Website über die Pressearbeit bis zum Instagram-Post. Sicher, die eine Lösung für alle gibt es nicht. Doch Hersteller wie der schwedische Hafermilch-Hersteller Oatly, der quasi über Nacht zur It-Marke wurde, machen’s vor: Sie zeigen Haltung – offen, unverblümt, nicht selten provokant. Aber immer mit Charme und Witz, statt mit erhobenem Zeigefinger.

 

Das Ausweisen des Klima- oder Tierwohl-Impacts beispielsweise zeigt Konsumenten auf, dass sie eine soziale Verantwortung haben – während spielerische Grafiken Leichtigkeit und Spaß vermitteln. Nicht zu unterschätzen ist auch der Wert der Pressearbeit: Je häufiger Medien positiv über die vegane Ernährungsweise berichten, desto normaler wird sie in unserer Wahrnehmung. Wir Menschen sind soziale Wesen und machen gerne, was andere machen. Und wenn Dritte uns vegane Produkte empfehlen, ist das wesentlich glaubwürdiger als jede Werbung. Das gleiche gilt für authentische Influencer, die zur Marke passen – auf Performance schielende Plattform-Kampagnen und stumpfe Rabattcode-Schlachten hingegen verwässern die Markenidentität.

 

Authentische Hersteller können so auch ohne Riesenbudget kommunikativ überzeugen – und sich gegenüber Trittbrettfahrern behaupten. Denn bei vielen von ihnen klafft eine große Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Edeka beispielsweise brachte vor einem Jahr sein Vegan-Sortiment „Vehappy“ in die Regale – und erhielt wenige Monate später von Greenpeace die „Goldene Kotzwurst“ verliehen: für besondere Unverdienste beim Tier- und Klimaschutz.

 

Der Artikel erschien zunächst im PR-Journal.

katrin