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Vorsicht vegan

Gesund, umweltfreundlich, tierfreundlich – und lecker: Vegane Alternativen zu Fleisch, Milch und Käse haben dem Konsumenten viel zu bieten. Aber ihre Vermarktung ist schwierig – jedenfalls, wenn man nicht die Werbemillionen eines Konzerns im Rücken hat. Wie können sich kleine Produkt-Pioniere neben Platzhirschen und Eigenmarken behaupten?

 

Der Markt wächst rasant: In den letzten fünf Jahren haben sich vegane Produkteinführungen mehr als verdreifacht, Deutschland ist Spitzenreiter. Nicht nur kleine Startups, sondern auch Unternehmen wie Katjes, Coppenrath und Rügenwalder bringen immer mehr vegetarische oder vegane Produkte auf den Markt; Fleischkonzerne investieren in Labor-Fleisch.

 

Doch: die Regale in den Läden sind voll, für jedes neue Produkt muss ein anderes gehen. Verlierer sind vor allem die „Mittelmarken“, seit 2000 haben sie nach Angaben der GfK 40 Prozent ihres Marktanteils verloren. Die großen Marken verfügen über millionenschwere Werbebudgets – sie können sich die Listungen in den Supermärkten kaufen, oder sind sogar deren eigene Marken.

 

Lebensfreude statt Moralkeule

 

Die Bedingungen für vegane Food-Startups sind ohnehin hart: Pflanzliche Alternativen dürfen nicht heißen wie ihre „Vorbilder“. Auch gesundheitsbezogene Aussagen sind verboten. Und moralische Argumente machen Kunden ein schlechtes Gewissen – das führt zu Abwehrhaltung. Hinzu kommt eine Zielgruppe, die nicht nur selbst äußerst kritisch ist, sondern auch sehr heterogen: Wie lassen sich ethische Veganer, Fitnessbegeisterte und Gesundheitsfreaks ansprechen, ohne Flexitarier auf Öko-Trip zu verschrecken?

 

Was nach der unlösbaren Quadratur des Kreises klingt, birgt aber auch Chancen. Denn die Millenials pfeifen auf Markenloyalität. Sie wollen, dass Produkte Zusatznutzen bringen: Laut Studien von Nielsen und Nestlé liegen proteinreiche Sportlernahrung oder hochwertige Snacks und Fertigprodukte im Trend. Dahinter stecken Bedürfnisse wie Gesundheit und Selbstoptimierung. Unser Essen wird zur Lebenseinstellung: „Healthy Hedonism“, „Plant-based Food“ und „Transparency“ nennt Hanni Rützler die großen Trends in ihrem Food-Report 2019. Das gibt veganen Food-Startups Grund zur Hoffnung – und liefert Ansatzpunkte für die Kommunikation mit Verbrauchern.

 

Das V-Wort vermeiden

 

Zwar fehlt noch manch vegane Alternative zu herkömmlichen Produkten, von Schokoküssen über Donuts und Kinderriegel bis hin zu Hunderten von Wurst- und Käsesorten. Doch die mittlerweile 1,3 Million Veganer in Deutschland sind noch immer eine zu kleine Randgruppe, als dass ein Startup von ihnen allein als Kunden leben könnte. Es gilt also, die Neuprodukte so zu vermarkten, dass sie sowohl Veganer als auch Nicht-Veganer ansprechen. Keine leichte Aufgabe, denn viele Menschen sehen Veganer ausgesprochen kritisch und wollen keinesfalls mit ihnen in einen Topf geworfen werden. Tatsächlich glauben viele sogar, ein Produkt sei für sie nicht geeignet, wenn „vegan“ auf der Verpackung steht.

 

Genau in diesem Balanceakt aber liegt der Schlüssel erfolgreicher PR für vegane Produkte: Es gilt, die Gemeinsamkeiten zwischen Veganern und Nicht-Veganern heraus zu arbeiten. Diese verbindenden Elemente muss die Kommunikation betonen. Dennwer explizit Veganer anspricht, grenzt automatisch alle andere aus – also auch diejenigen, die ihren Konsum von Tierprodukten bewusst einschränken wollen. Und diese wachsende Gruppe der Flexitarier ist entscheidend für den Erfolg eines veganen Food-Startups.

 

Storytelling & Transparenz

 

Gesundheit, Genuss, Flexibilität – das sind Werte, mit denen sich immer mehr Konsumenten identifizieren. Vermitteln lassen sie sich mit Hilfe von Storytelling: emotionalen, spannenden oder auch witzigen Geschichten über das Unternehmen und seine Produkte. Sogar komplexe Nachhaltigkeitsthemen lassen sich so vereinfachen und konkretisieren, dass die Verbraucher sich abgeholt fühlen. Voraussetzung ist eine positive, kreative Sprache – denn viele bekannte und daher Vertrauen erweckende Formulierungen sind für vegane Produkte per Gesetz tabu.

 

Auch optische Reize sind wichtig, um Markenbotschaften zu vermitteln. Das gilt umso mehr, da Geruch und Geschmack in der digitalen Welt nicht erfahrbar sind. Zur visuellen PR gehören eine schicke Verpackung, gute Fotos und Rezepte auf der Website, im Blog und in Social Media-Kanälen. Influencer-Kampagnen mit Micro-Bloggern bieten Zugang zu einer zwar kleinen, aber besonders passgenauen Zielgruppe – und sind im Gegensatz zu bekannten Influencern erschwinglich. Ihre Bilder können Produktvorteile glaubwürdig und auf unterhaltsame Weise erklären.

 

Storytelling ist aber keine Märchenstunde: Grundlage der Kommunikation muss immer eine wahrhafte Darstellung sein. Denn Vertrauen und Glaubwürdigkeit sind das höchste Gut für Lebensmittelhersteller. Ein Shitstorm kann einem Startup schnell das Genick brechen. Kritik, die sich durch ein aktives Community-Management früh erkennen lässt, begegnet man am besten mit ernährungswissenschaftlichen Fakten und Hintergrundinfos. Aussitzen ist gefährlich. Transparenz trägt dem hohen Informationsbedürfnis vieler Konsumenten Rechnung – und sie ist eine Grundregel erfolgreicher Unternehmenskommunikation.

katrin